Bonn. Rund zehn Jahre nach der Präsentation des Modells und mit einer Verspätung von sechs Jahren hat Anfang Juni das World Conference Center Bonn (WCCB) seine Pforten geöffnet. Kaum ein Wort fiel über die Skandale der vergangenen Jahre, es wurde nach Kräften gelächelt und die Bundesstadt durfte für einen Tag wieder Bundeshauptstadt spielen.
Es sei "ein Tag der Freude und ein Meilenstein" gewesen, verkündete Jürgen Nimptsch, der Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn. Und tatsächlich fühlte man sich ein bisschen an die - zumindest in den Augen vieler Bonner - guten alten Zeiten erinnert, als eine Kolonne gepanzerter schwarzer Limousinen vorfuhr. Die Staats- und anderen Gäste betraten jedoch nicht, wie dereinst, den Plenarsaal oder das Wasserwerk, sondern schritten auf der gegenüberliegenden Straßenseite in den Neubau des Konferenzzentrums. Zum Bejubeln des WCCB kamen unter anderem UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Bundesbauministerin Barbara Hendricks, allerhand lokale und bundesweite Prominenz, das Beethoven-Orchester sowie rund 800 geladene Gäste.
Damit war das Konferenzzentrum nicht einmal annähernd ausgelastet, denn jetzt bietet es Platz für bis zu 7.000 Tagungsteilnehmer. Die sollen sich im Wesentlichen aus Veranstaltungen der Vereinten Nationen rekrutieren, denn Bonn positioniert sich schon seit einigen Jahren - mit kräftiger finanzieller Hilfe von EU, Bund und Land - als deutscher UN-Standort.
Apropos finanzielle Hilfen: Der ursprüngliche Investor Man-Ki Kim mit seiner SMI Hyundai, der 2007 den Zuschlag für den Bau des Projekts bekommen hatte, wurde im Mai 2013 wegen des Betrugs in zwei Fällen und der falschen eidesstattlichen Versicherung zu 6,5 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einem beispiellosen Wirtschaftskrimi um Veruntreuung, Kreditrückzahlungen und der doppelten Verpfändung des Unternehmens, meldete SMI Hyundai im Jahr 2009 Insolvenz an und Kim verschwand zunächst ins Ausland - wurde letztlich aber nach Deutschland ausgeliefert.
Eine der Folgen des Dramas war, dass die Stadt Bonn wegen einer Heimfallklausel im Vertrag mit dem Entwickler im März 2012 zur Eigentümerin der Bauruine wurde und diese auf Gedeih und Verderb fertigstellen musste. Bei einer Begehung des WCCB mit Ratsmitgliedern und einer Handvoll Journalisten im darauffolgenden November wurden die Pläne für die Fertigstellung präsentiert. Damals war bereits zu spüren, dass das Objekt wohl keinen im Bonner Rat kalt lässt. Zwar bemühten sich die Mitglieder bei dem Termin um Diskretion, trotzdem waren Satzfetzen zu vernehmen wie "Meinst du, wir erleben die Eröffnung noch?" oder "Es haben doch alle nach bestem Wissen gehandelt." Oder auch kritische Bemerkungen wie: "Mittlerweile können sich doch alle immer auf ihre Vorgänger rausreden."
Um das Riesenprojekt an den Neustart zu bringen, hatte man sich einen straffen Zeitplan ausgedacht. 51,1 Mio. Euro wurden netto im städtischen Doppelhaushalt 2013/14 für die Fertigstellung des WCCB eingeplant. Knapp die Hälfte davon, so rechnete die Stadt, soll auf Fördermittel entfallen.
Später musste die Summe deutlich aufgestockt werden - von rund 62 Mio. Euro, die die Stadt für die Fertigstellung aufzubringen hatte, war im Frühjahr 2014 die Rede. Einer der Gründe: Während des jahrelangen Stillstands auf der Baustelle wurde die Brandschutzordnung verschärft. Der ursprünglich für das WCCB geplante - und bereits weitgehend verbaute - Brandschutz war nicht mehr zulässig. So musste Etliches, was bereits montiert war, wieder abgebaut und durch andere Materialien ersetzt werden. An einigen Stellen wurde der Estrich entfernt, an anderen die Wandverkleidungen und deren Unterbau. Anhangdecken, Dämmung und Trockenbauwände mussten ebenfalls weichen und neuen Einbauten Platz machen.
Wie hoch die genauen Baukosten für das WCCB insgesamt gewesen sind, lässt sich heute wohl nicht mehr feststellen. Aktuelle Schätzungen gehen von mehr als 200 Mio. Euro aus. Die Stadt Bonn ist - nicht zuletzt wegen des WCCB - darum mittlerweile so stark überschuldet, dass sie nur durch extremes Sparen vor einem Nothaushalt bewahrt werden konnte.
Mit der Eröffnung des Gebäudes ist allerdings ein neues Fass für die Stadt aufgemacht worden. Ohne eine gute Auslastung des Konferenzzentrums muss wieder die Stadt als Eigentümerin in die Bresche springen. Und die Vermarktung des Konferenzzentrums, zu dem neben dem frisch eröffneten Neubau auch der Plenarsaal und das Wasserwerk gehören, erscheint schwierig. So viele Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmern gibt es jährlich in Deutschland nicht.
Immerhin, das an das WCCB angedockte Hotel ist mittlerweile veräußert. Am 27. März 2015 genehmigte der Bonner Rat den Verkauf der Hotelimmobilie an die DevelopVisio Real Estate, Bonn. Das Unternehmen ist eine Tochter der Bonn-Visio-Gruppe, die den Unternehmern Jörg Haas und Rüdiger Wilbert gehört. Gemeinsam haben die beiden etliche Projekte auf dem Areal des Bonner Bogens errichtet. Die Herberge am WCCB soll künftig unter dem Label Bonn Marriott Hotel geführt werden. Mit der Marke habe man einen Franchise-Vertrag über 25 Jahre abgeschlossen, erklärte Haas.
Bei der feierlichen Eröffnung des WCCB am 7. Juni betonten alle Redner zunächst einmal die Chancen, die das riesige und - so OB Nimptsch - "modernste Kongresszentrum Europas" für die Stadt bietet. Bleibt zu hoffen, dass der Kater in der Bundesstadt nicht allzu groß ausfällt, nachdem die gepanzerten Limousinen mitsamt der Prominenz wieder abgefahren sind und das Städtchen Bonn mit seinem WCCB alleine zurückbleibt.